Auch der zweite
Termin vor dem Sozialgericht Berlin am 27.06.2022 war öffentlich, und es
ging weiter um die Frage: Lag ein „Verfahrensfehler“ vor, weil
vielleicht „nicht alle Stimmen gehört worden sind, die hätten angehört
werden müssen“? Dann wäre der Schiedsspruch
(und damit der derzeitige Rahmenvertrag) ungültig.
Ein solcher Verfahrensfehler muss
insbesondere auch in Bezug auf das schwebende Schiedsverfahren zur
Telemedizin abgeklärt werden: Würde hier der gleiche Fehler gemacht,
wäre auch hier die Gültigkeit eines Schiedsspruches fraglich. Deshalb
ist auch noch kein Ersatztermin für den ausgefallenen Schiedstermin in
der vergangenen Woche erfolgt. Von daher gilt: Weiterhin ist keine
Durchführung von Videotherapie zu Lasten der GKV möglich.
Zum besseren
Verständnis noch einmal die Details zum 1. Termin
Unerwartet: Am
06.06.2022 wurde unsere Klage gegen einige Punkte im Schiedsspruch vor
dem Sozialgericht in Berlin verhandelt. Die Verhandlung war öffentlich.
Der vorsitzende Richter nahm für das Schiedsverfahren einen
Verfahrensfehler an. Das kam für alle Beteiligten äußerst überraschend.
Hintergrund: Als
am 15.05.2019 die Kriterien zur Maßgeblichkeit, die der
GKV-Spitzenverband (!) festgelegt hatte, im Bundesanzeiger
veröffentlicht wurden, hatten alle Verbände vier Wochen Zeit, die
Maßgeblichkeit zu beantragen. Die Anträge der dbx-Verbände
und der von LOGO Deutschland wurden angenommen, der eines
fünften Berufsverbands (vdls) jedoch
abgelehnt. Dieser gab sich jedoch mit der Ablehnung nicht zufrieden und
reichte Klage ein. Über diese Klage ist noch nicht entschieden worden.
Verfahrensfehler:
Der vorsitzende Richter in der Klage LD gegen die Schiedsstelle vertrat
die Ansicht, dass der nun klagende fünfte Verband aus Prinzip in
irgendeiner Form im Schiedsverfahren zum Rahmenvertrag im März 2021
hätte angehört werden müssen, völlig unabhängig davon, ob dieser
Verband am Ende tatsächlich maßgeblich sein werde oder nicht. Da der
Vorsitzende der Schiedsstelle aber gar nicht wusste, dass ein fünfter
Verband die Maßgeblichkeit begehrte und gegen die Ablehnung Klage
eingereicht hatte, konnte er diesen Verband auch nicht in irgendeiner
Form beteiligen (anhören). Und dass eine solche „Anhörung“ – wenn auch
aus Unkenntnis – nicht stattgefunden hat, wertete der Richter als
Verfahrensfehler seitens der Schiedsstelle.
Folgen: Nun muss
sich der GKV-Spitzenverband zum Procedere der Maßgeblichkeit erklären
und die Schiedsstelle überlegen, wie sie auf den Verfahrensfehler
reagieren wird. Erst danach kann es zur Klärung der Inhalte der Klage
von LOGO Deutschland kommen.
Beklagt wurden
folgende Punkte: Protokollnotizen (Wirtschaftlichkeit der Preise,
Vergütung von Therapien in Einrichtungen nach § 11 (2)
Heilmittelrichtlinie in Abhängigkeit vom Ausgang anderer
Vertragsverhandlungen); die fehlende Festlegung der Regelleistungszeit
(Zeit für Vor- und Nachbereitung und der eigentlichen Therapie), wie im
Gesetz vorgesehen; die Begrenzung der Fachlichen Leitung von Praxisinhaber*innen, die selbst Logopäd*in
sind, auf zwei Standorte; die Übernahme von Kosten für den Mehraufwand
zu Therapien in Einrichtungen nach § 11 (2) Heilmittelrichtline;
Streichung der Bearbeitungsgebühr zu Lasten der Praxisinhaber*innen;
Zuschlag für Solopraxisinhaber*innen. Die
Preise insgesamt konnten mangels Erfolgsaussichten leider nicht beklagt
werden.
Zweiter Termin (27.06.2022)
Zuständigkeit. Die Schiedsstelle hätte nach Ansicht des
Gerichts vor dem Schiedsverfahren prüfen müssen, ob es weitere Verbände
gibt, die hätten teilnehmen wollen. Das hat sie nicht getan, weil sie
keine Ahnung hatte, dass es einen weiteren Anwärter zur Teilnahme an
den Verhandlungen, nämlich den vdls, gab.
Verpflichtungen. Dass die Schiedsstelle keine Kenntnis von
der Existenz des (in der Verhandlung durchgehend „fünfter Verband“
genannten) vdls hatte, weil diese nicht vom
GKV-Spitzenverband informiert worden war, ändert nichts an einer
grundsätzlichen Verpflichtung zur Prüfung. Seitens des GKV-SV wurde
argumentiert, der vdls habe Kenntnis vom
Schiedsverfahren gehabt und eine Teilnahme beantragen können: Wer
bundesweit agiere, müsse das wissen. Am Ende wurde als Beleg die
Veröffentlichung eines Artikels vom 24.12.2020 auf der Homepage des vdls herangezogen. Aber auch diese Tatsache änderte
nach Meinung des Richters und der beiden Schöffen nichts an der
Verpflichtung der Schiedsstelle, zuvor zu prüfen und diesen ggf.
anhören zu müssen. Und genau dies ist nicht passiert.
Demokratie. Hauptargument des Gerichts war in beiden
Verhandlungen, dass auch im Bundestag die Opposition zugegen sei und
mitredet. Dieses Mitreden kann Einfluss auf die Meinungsbildung haben und
somit Einfluss auf die Ergebnisse nehmen.
Beiladung. In der Konsequenz des Vorgenannten wurde
der vdls am Ende für das laufende Verfahren
beigeladen. Das bedeutet, dass dieser alle Informationen zum Verfahren
erhält und zudem Stellung beziehen kann, auch wenn sich alle
Beteiligten sicher waren, dass die Kriterien zur Maßgeblichkeit nicht
erfüllt sind und die Klage des vdls gegen den
GKV-Spitzenverband scheitern wird.
Vergleich? Inhalte wurden nicht verhandelt, allerdings
regte das Gericht einen Vergleich zu den von uns beklagten
Protokollnotizen* an, in Form einer Gegendarstellung, wie sie im
Presserecht zu finden ist. Diesen Vorschlag werden wir prüfen. Die
Bereitschaft zur Annahme dieses Vergleichs wurde seitens der
Schiedsstelle bekundet, und auch der GKV-SV lehnte eine solche
Möglichkeit nicht rundweg ab. Dagegen könnte sprechen, dass auf der
Homepage des GKV-SV der Rahmenvertrag ohne die Anlage Protokollnotizen
veröffentlicht ist, obwohl diese ein Vertragsbestandteil sind. Sollte
eine Veröffentlichung zukünftig nicht gewährleistet sein, wäre eine
Gegendarstellung wohl eher sinnlos.
* In den
Protokollnotizen haben die dbx-Verbände und
die Krankenkassen ausdrücklich die Wirtschaftlichkeit der Preise
festgestellt und eine Vergütung zu Therapien in Einrichtungen an den
Ausgang anderer Vertragsverhandlungen in der Physio-
und Ergotherapie geknüpft. Allerdings hatten diese gar nicht darüber
verhandelt.
Schriftliches Verfahren? Das Gericht bot
an, das weitere Verfahren schriftlich zu führen. Am Sozialgericht ist
dies allerdings nur möglich, wenn alle Prozessbeteiligten zustimmen.
Auch darüber werden wir intensiv beraten, insbesondere, welche Vor- und
Nachteile in einem solchen Vorgehen liegen würden. Noch hat der Richter
zu den weiteren Klagepunkten keine eigene Meinung geäußert.
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